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Flaneurs in Beethoven's Birth Place

Essay
Flaneurs in Beethoven's Birth Place
by Harald Weller

On September 14, 2019, the museum at Ludwig van Beethoven's birth place opened the new permanent exhibition, presenting a new approach to experiencing Beethoven as an artist and fellow human being in a modern, inspiring and exciting way.

 

Der für Besucher wohl wichtigste Schritt ist getan: Das Beethovenhaus ist wieder geöffnet. Ab sofort ist die völlig neu gestaltete Dauerausstellung als Hauptattraktion des Hauses für Besucher täglich zugänglich. Und, das sei vorweggenommen: Der Besuch lohnt sich. Gemeinsam mit Ausstellungsprofis und Innenarchitekten entworfen, zeigt sich die Ausstellung von einer ganz neuen, beeindruckenden Seite. Nichts, aber auch gar nichts ist übrig von der doch ein wenig altbackenen und verstaubt wirkenden Inszenierung vergangener Tage. Die neue Konzeption zeigt Beethoven so, wie er wohl auch war: Mitten im Leben stehend, hochkreativ, aber eben auch als Menschen mit Alltagsproblemen.

Auf diese neue Weise vermittelt die Ausstellung dem Besucher nicht nur ein Bild von Beethoven. Nein, es ist in der Tat ein Beethoven zum Mit-er-leben. Der Meister scheint in der Tat neben einem zu stehen und dem Besucher über die Schulter zu gucken, während er, der Komponist, aus seinem Leben erzählt. Das ist nicht nur gut, das ist einfach klasse und wird alles in allem 3,5 Millionen Euro kosten.

Kein Heiligenschein, keine künstliche Überhöhung eines Genies, das für Normalos eh unverständlich ist, keine Heldenverehrung. Beethoven als Mensch wird erfahrbar. Das zu erreichen, ist mit allerlei Gehirnschmalz gelungen: Zunächst rückt ein perfektes Beleuchtungssystem die Ausstellungsgegenstände ins rechte Licht. Weggefallen sind die Schwermut verbreitenden Farben zugunsten eines ausgefuchsten Farb-Kontrastsystems. Die Gegenstände sind nicht mehr chronologisch wie auf einer Perlenschnur aufgereiht: Sie sind in Themengebieten geordnet. Es gibt keine umfänglichen komplexen Text-Bleiwüsten. Es ist eine Zeige- und Erlebnisausstellung, kein pädagogisch angelegter theoretischer Bildungskurs. Man glaubt förmlich, Beethoven durch das Haus gehen zu hören.

Und man kommt auch dem Geheimnis der Kreativität Beethovens auf die Spur: In dem ehemals als Geburtszimmer bezeichneten Raum ist eine Spiegelwand zu sehen, die ein Beethoven-Wort zeigt, auflöst, in Musik verwandelt und wieder zusammensetzt: Das symbolisiert, wie der Komponist aus einem Gedanken eine Idee, einen Text und dann einen Musikeinfall kreiert. Das muss man selbst erlebt haben, Worte allein zur Beschreibung des Wirk-Effekts reichen da nicht aus.

Zu sehen sind jede Menge Alltagsgegenstände, die allesamt authentisch sind. Die Handschriften sind ebenfalls - als Faksimile - vorhanden. Aber was heißt schon eine Handschrift, wenn der Gänsekiel, das Original-Schreibwerkzeug des Komponisten, quasi live zu sehen ist. Oder auch der Spazierstock des Meisters. Oder die Standuhr, die er täglich sah. Das führt nun wieder dazu, dass man meint, dem Meister über die Schulter schauen zu können.

Regelrecht lebensnah vermittelt die Ausstellung, wie Beethoven gelebt und wohl auch geliebt hat. Man kann seine Gefühle nachempfinden.

Etliche Räume hat die Kuratorin Nicole Kämpken mit ihrem Team konzipiert. Und von den Ausstellungsprofis kongenial umsetzen lassen. Seien Sie sicher: So nah sind Sie Beethoven noch nie gekommen. Man kann sich problemlos vorstellen, wie der Komponist gelebt hat. Und auch, wie er ausgesehen hat. In einem Raum hängen Porträts einschließlich des berühmten idealisierten Bildes und eine Büste von der Totenmaske abgenommen. Beethoven als junger Mann, Beethoven als Arrivierter, Beethoven zum Ende des Lebens.

Bis zum Jahresende werkeln die Leute vom Beethoven-Haus weiter. Eine Schatzkammer mit Original-Handschriften steht noch auf dem Programm, ein Musikzimmer, ein Café, ein Shop. Am 16.12. soll alles fertig sein und dann in eine neue Zeit gehen. Eins steht schon heute fest: So hat Bonn seinen Beethoven noch nie gesehen. Original, so wie einen lebendigen Mitmenschen. Das neuen Flaneur-Konzept verleiht dem Gast neue Möglichkeiten. Es gibt keinen Anfang, kein Ende. Es ist immer ein Mittendrin. Glauben Sie nicht? Gehen Sie einfach hin.

Credits

@Beethoven-Haus Bonn, Fotograf David Ertl